Musik in der Liturgie

Neue Musik in der Liturgie

 

Zunächst ist eine Kirche ein Raum, der einer starken inhaltlichen Aufladung ausgesetzt ist. Oft werden Kirchen ohne Raumkonzept mit allerhand Figuren, liturgischen Geräten und gegenförmiger Bestuhlung ausgestattet. Sankt Peter geht einen radikal anderen Weg. Die Kirche und Kunst-Station ist komplett als leerer Raum gestaltet, der nicht einmal Kirchenbänke besitzt. Obwohl intakte Pfarrkirche und Gemeinde, ist dieser Raum zugleich offen durch seine Leere. Auch die in Sankt Peter gezeigte Kunst ist nicht ideologisch aufgeladen. Meist dienen alltägliche Materialien wie Metall, Holz, Altöl oder Papier den zeitgenössischen Ausstellungen in Sankt Peter.

 

Die Musik die hier erklingt, soll ebenfalls frei von vorbestimmter Aufladung sein. Die zeitgenössische Musik prägt ihr Material, ihre Töne nicht so stark wie die traditionelle Musik. Während im System der Dur- und Molldreiklänge die Töne eine große Abhängigkeit zur vorgefertigten Stimmung der jeweiligen Tonart besitzen, lösen sich die Töne in der Freitonalität und schweben im Raum. Anstatt bereits Antworten zu geben, bleibt die Musik in ihrer Suche nach Wahrhaftigkeit und gelangt zu einem offenen Ausdruck von Freiheit. Zwischen den beiden Polen der Suche nach Wahrheit und Freiheit bewegt sich die Religion. Die Musik wird so zu einer klingenden, religiösen Fragestellung, die den Menschen auf sich zurückwirft. Ein herausragender Entschluss des II. Vatikanischen Konzils ist die Definition der Musik als wesentlicher Bestandteil der Liturgie. Die Musik solle nicht irgendein Zusatz oder Schmuck sein. Sie soll Teil der liturgischen Feier sein. Insofern lässt sich der musikalische Gehalt direkt auf seine inneren Elemente beziehen, auf die Struktur seiner Töne.

 

In dieser Fragehaltung eröffnet die Musik die liturgische Feier. Wenn das Kirchenjahr nichts anderes erfordert, ist die Musik bewusst leise gehalten. Man mag denken, die Musik lege einen unsichtbaren Teppich in den Raum, der von den Liturgen beschritten wird. Doch ist sie mehr als das. Sie gibt dem Gottesdienstbesucher die Möglichkeit, sich in Freiheit und Offenheit einzustimmen. Das Wichtigste an ihr aber ist die Rhythmik. Die Priester werden nicht mit einem Marsch begleitet, der wie ein schöner Schmuck das Schreiten des Liturgen nachempfindet. Stattdessen ist die Rhythmik frei fließend. Sie öffnet einen Gestaltungsraum, der die Wahrnehmung auf die Gegenwart hin ausrichtet. Damit stellt sie durch ihre zeitgenössische Gestalt das liturgische „hodie“, das „Jetzt“ der Gegenwart heraus.

 

Nach der ersten Lesung kommentiert die Musik das Bibelwort im Antwortgesang. Sie bewegt sich zwischen freier Energie und programmatischem Bezug. Die Musik gelangt zu einem Ausdruck innerer Offenheit, der zwischen meditativer Stimmung und starker Ausdruckskraft variiert. Sie schafft Konzentration und Meditation während der Gabenbereitung und der Kommunion und schließt die Messe, indem sie zugleich auf das Leben hin öffnet. Während des Schlussspiels ertönt kein bestätigender Orgelakkord. Stattdessen will die Orgel eine Brücke zur Welt bilden. So klingt sie als offene Überleitung, die plötzlich im Jetzt abbricht, die ins Leben hin als Aufgabe schließt. So soll der Hörer nicht denken: Was für ein schönes Orgelspiel! Er soll auf sein Leben und sein alltägliches Tun durch die Musik in Gott hin bezogen sein.

 

Die Offenheit bleibt nicht auf das Raumkonzept beschränkt, sondern greift in Musik, Kunst und letztendlich in der Liturgie ineinander. Eine Entscheidung des Subjekts zum Raum, zur Kunst, zur Musik und zur Liturgie wird durch eine „Neutralität“ hervorgerufen, die sich nicht aufdrängt. Die Gemeinde geht in Sankt Peter über die Gottesdienstgemeinde hinaus. So ergibt sich in größtmöglicher Offenheit eine Durchmischung verschiedener Schichten: Kunst- und Musikinteressierte, Gemeinde, Schüler, Individualisten und andere. Den Wesenskern bildet die Liturgie, deren ein Element die freie Musik ist.

 

Dominik Susteck