Exerzitien

Ignatius vom Loyola hat uns hilfreiche Übungen hinterlassen, die unser geistliches Leben ordnen: die Exerzitien. Sie sind die Essenz seiner spirituellen Reifung von dem verwundeten Soldaten in Pamplona bis hin zu dem großen Mystiker, der es versteht, in allem Gott zu finden.

Die geistlichen Übungen bestehen in der Regel aus Betrachtungen zu biblischen Schriftstellen, Gebeten und kontemplativen Zeiten der Stille. Sie helfen dem Übenden, – dem Exerzitanten – innere Ruhe und neue Klarheit zu finden. Im Schweigen kann der Mensch seine inneren Bewegungen sensibler wahrnehmen und mit zunehmender Praxis herausfinden, wie sein individueller Weg aussieht und was der Wille Gottes für ihn sein könnte.

Mit Exerzitien verbinden viele einen Aufenthalt in ruhig gelegenen Klöstern und Niederlassungen kontemplativer Orden außerhalb unserer Metropolen. Doch geistliche Übungen lassen sich ganz unterschiedlich und individuell abgestimmt praktizieren: Wir bieten daher nicht nur fünftägige Exerzitien an, begleitet von erfahrenen Geistlichen, wir bieten auch Exerzitien im Alltag an. Sie alle haben ein Ziel: Perspektivwechsel. Der Literatur-Lehrer John Keating beschreibt es in seinem Roman Der Club der toten Dichter: Provozierend steigt er auf das Lehrerpult und appelliert an die Schüler, es ihm nach zu tun. Von hier oben und hier vorne sieht die Welt anders aus. Wir müssen uns bei allem um eine eigene Perspektive bemühen. Brechen Sie aus. Haben Sie den Mut, ihren eigenen Weg zu gehen. Sein Verständnis von Erziehung hat den eigenständig denkenden Menschen im Blick, der niemandem blind folgt, sondern sein wachsendes Erfahrungswissen dazu nutzt, den ganz persönlichen Weg zu suchen und zu finden.

Ein solcher Perspektivenwechsel weitet den Blick und das Herz: Ich verlasse für eine gewisse Zeit meinen Standort und Standpunkt, von dem aus ich normalerweise die Welt sehe und beurteile – und versuche, Menschen, Dinge, Sachverhalte und Begegnungen aus der Sicht des anderen zu sehen, zu hören und zu empfinden.

 

Manresa – Zentrum für ignatianische Spiritualität

 

Manresa ist ein kleines Städtchen am Fuße des zersägten Bergmassives Montserrat in der Nähe von Barcelona. Für Ignatius von Loyola wurde dieses Städtchen zum Ort der Läuterung und der Gnade. Da war seine Verzweiflung, die ihn fast bis zum Suizid trieb und da war die mystische Schau am Flüsschen Cardoner, in der sich ihm „die Augen seines Verstandes“ weit öffneten und ihm in dieser Erleuchtung „alles in einem neuen Licht erschien“, so schreibt er in seinem Pilgerbericht.

Die Erfahrungen in Manresa sind der Stoff, aus dem das Exerzitienbüchlein dieses Heiligen gewoben ist. Mehr als fünfhundert Jahre trennen uns von ihm und doch möchte er uns wie ein Zeitgenosse begegnen. Bei allen zeit- und kulturbedingten Bildern und Beschreibungen menschlichen Innenlebens, ist er uns sehr nahe geblieben. Für Ignatius ist jede Suche des Menschen nach Gott ein individueller „Pilgerweg“.

Die inneren Be-weg-ungen im Menschen werden für ihn und für alle die sich auf einen Exerzitienprozess einlassen, Wegzeichen Gottes.

Die Exerzitien sind das Kernstück der ignatianischen Spiritualität und ein Markstein in der Entwicklungslinie eines autonomen und subjektiv orientierten geistlichen Lebens.

Wir organisieren regelmäßig fünftägige Kurse, um so einen Ort der Einkehr, der Gottes- und der Selbstbegegnung anzubieten. Erfahrene Geistliche begleiten diese Tage.

 

Exerzitien

 

Vom Stil her sind es Einzelexerzitien in der Gruppe. Es werden Impulse und Gottesdienste für die Gruppe angeboten sowie fakultativ gemeinsame Meditationen. Jeder ist sonst für sich der Gestalter seiner Zeit, in einem Haus, ganz in der Nähe der Benediktinerabtei Meschede, das in seiner modernen reduzierten Architektur und Ausstattung geradezu zu innerer Ruhe einlädt. Die Exerzitienbegleiter stehen gerne für Einzelgespräche nach Vereinbarung zur Verfügung.

 

 

Anmeldung und Information

manresa@sankt-peter-koeln.de

 

Exerzitienhäuser

Haus der Stille der Benediktinerabei Königsmünster in Meschede
Stanislauskolleg – Exerzitienhaus der Jesuiten in Hoch-Elten

 

Exerzitien im Alltag

 

„In der Stille und im Vertrauen liegt deine Stärke“ (nach Jesaja 30,15). Mit dieser biblischen Zusage haben Markus Roentgen vom Erzbischöflichen Ordinariat und Pater Werner Holter SJ von Sankt Peter zu Exerzitien im Alltag eingeladen. Fünfzehn Frauen und Männer nahmen sich während der Adventszeit vor, 30 Minuten Zeit für Meditation und Gebet zu reservieren. Höhepunkt während dieser Wochen war jeweils am Donnerstagabend eine Eucharistiefeier mit anschließender Zeit der Stille vor dem Allerheiligsten. Es folgten Impulse zu Schlüsselthemen und Grunderfahrungen des Exerzitienprozesses. Gespräche in der Kleingruppe ergänzten die Kurzreferate. Für die Teilnehmer standen neben den genannten noch Elisabeth Neuhaus, Christa Pesch und Wilfried Röttgen für die wöchentlich vorgesehenen Einzelgespräche bereit. Als sich zum Schluss die Gruppe mit ihren Begleitern traf, war die Resonanz einhellig: eine wunderbare Zeit. Und von allen der Wunsch: bitte wiederholen!

 

…zwei Teilnehmerinnen berichten

 

Verkehrschaos, Menschenmassen, Hektik. Ich werde zu spät kommen. Endlich angekommen, trete ich ein in den dunklen Kirchenraum. Um den Altar der Teilnehmerkreis. Zu Füßen eines jeden flackert eine Kerze. Ich höre als erstes Wort: „Das ist mein Leib.“ Mit einem Kopfnicken trete ich ein in den Kreis glaubender Menschen. Nach der Messe nehmen wir unseren Platz ein in der Weite des Raumes. Auf dem Chillida-Altar in der Nähe des Allerheiligsten brennt eine Kerze. Im Gespräch danach sind wir uns einig: Es macht einen großen Unterschied, allein zu beten oder mit anderen gemeinsam—in diesem Haus Gottes, das mit seiner Weite und Leere einlädt, alles Chaos in mir und um mich herum fallen zu lassen—für die Begegnung mit Gott und untereinander. Was das Vorbereitungsteam besprochen hatte, wurde so konkret und lebendig: Achtsamkeit, Unterscheidung der Geister, Umgang mit Störungen und Widerständen. . . Die Frage: Wie kann es weitergehen?


Johanna Oberholz

 

Auf meinem Weg der Exerzitien im Alltag geschieht viel: In manchen Zeiten spüre ich Freude, Zuversicht und Einverständnis mit dem bisherigen Weg, aber es kommen auch große Trauer, Zerrissenheit und Entsetzen ans Tageslicht. Und immer wieder machen sich Widerstände breit, die vom begonnenen Weg ablenken wollen. Die Botschaft des Heiligen Ignatius ist: ALLES DARF SEIN! In den Exerzitien geht es darum, Neues einzuüben, Ungeordnetes zu ordnen, um in bleibender Freude und in tiefem Frieden seinen Weg weiterzugehen.


Martina Haneklau