Mesusa

Wer durch den Haupteingang Sankt Peter betritt, dem fällt am rechten Türpfosten in Augenhöhe ein kleines, wertvolles Kästlein auf: eine jüdische Mesusa. Sie ist ein Geschenk an Sankt Peter, ein Geschenk an jeden Besucher.

Eine solche Mesusa ist an jedem Haus gläubiger Juden. Sie enthält eine kleine, handschriftliche Pergamentrolle. Darauf Worte aus der Tora, den fünf Büchern Mose:

„Höre Israel! Jahwe, unser Gott, ist ein einziger.

Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft.


Diese Worte, auf die ich dich heute verpflichte, sollen auf deinem Herzen geschrieben stehen. Du sollst sie deinen Söhnen wiederholen. Du sollst von ihnen reden, wenn du zu Hause sitzt und wenn du auf der Straße gehst, wenn du dich schlafen legst und wenn du aufstehst. Du sollst sie als Zeichen um das Handgelenk binden. Sie sollen zum Schmuck auf deiner Stirn werden. Du sollst sie auf die Türpfosten deines Hauses und in deine Stadttore schreiben.“

Deuteronomium 6,4-9 und 11,13-21

Dies sind die ersten Worte des jüdischen Glaubensbekenntnisses und diese Worte gelten jedem, der dieses Haus betritt. Glauben hat eine Menge mit Hören zu tun. Der Kirchenraum von Sankt Peter ist ein Raum der Leere. Die Mesusa am Eingang erinnert daran, dass dieser Raum kein unverbindlicher Raum ist, sondern ein Ort, in dem Sonntag für Sonntag die Lesungen und Evangelien laut hörbar werden. Mehr noch: Der leere Raum wird zu einem Ort des Lauschens auf innere Stimmen und Stimmungen. Gottes Wort, das jeder hören kann, jeder, der innerlich still wird. Dieses Wort beantwortet nicht auf die Schnelle alle Fragen. Es sucht den Dialog – mit IHM, aber auch untereinander. Denn erst in einem gemeinsamen Hören und darüber Sprechen lässt sich der Kern des biblischen Wortes freilegen. Und es weckt Widerspruch oder Unverständnis.

Es provoziert bisweilen und schleudert aus eingefahrenen Denkstrukturen und Sichtweisen heraus. Und doch gilt: Erst in der ehrlichen Auseinandersetzung mit diesem „Wort“ nehmen wir uns selbst als Menschen und nehmen wir Gott ernst. Erst wenn wir uns selbst und unser Fragen und Zweifeln ernst nehmen, nehmen wir Gott ernst.

Jeder, der diese Kirche betritt, berühre die Mesusa und wünsche sich, Hörender zu werden. Die Kunst kann dabei helfen. Wortlos und schweigend schenkt sie Offenheit für das Andere und für das Wort.

„Höre Israel! Der Herr, unser Gott ist ein einziger…“